Selbstmord auf Raten

Kleinklima und Umweltgefahren

In Artikeln, in denen neue Planungen und Bauvorhaben vorgestellt wurden, hat Kess & Dott immer wieder auf mögliche Umweltgefahren hingewiesen. Die geplante Stadtautobahn wurde nicht zuletzt wegen der Umweltbelastungen durch die Abgase abgelehnt, und wir sprachen uns für die Erhaltung des Venusberghanges als Waldgebiet aus. Beute wollen wir auf der Grundlage einiger wissenschaftlicher Gutachten des TÜV und des Wetteramtes Essen erläutern, wärum wir Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung so nachdringlich fordern müssen.

Aufgrund der Bonner Kessellage im Windschatten des Venusberges gehen die Winde in großer Höhe über die Stadt hinweg, so dass die Luft im Tal nicht genügend ausgetauscht wird. Wer hat im Sommer nicht über die schwülen Tage gestöhnt, wenn sich kein Lüftchen regte? Durch solche Wärmestaus und häufige Schwüle zeichnet sich das Bonner Kleinklima aus. Das bedeutet Smoggefahr!

Smog entsteht, wenn kein Luftaustausch zwischen Boden- und Höhenschichten stattfindet, bei bestimmtem Luftdruck und Windstille (Inversionswetterlagen). Dann wird die Atemluft mit Abgasen von Autos, Industrie und Heizungen angereichert. Augenreizungen, Übelkeit und um ein vielfaches erhöhte Herzinfarktanfälligkeit sind die Folge. Und die neuesten Untersuchungen zeigen, daß die Smoggefahr in Bonn gewachsen ist.

Das ist kein Wunder, denn die Abgasmessungen des TÜV haben schon 1971 an der Reuterstraße und an der Dottendorfer Straße Abgaskonzentrationen festgestellt, die erheblich über der Grenze liegen, wo gesundheitliche Schäden nachgewiesen werden können (TÜV-Gutachten von 1971 und Stellungnahme von Prof. Dr. Schlipköter, Direktor des Medizinischen Instituts für Lufthygiene und Silikoseforschung und des Instituts für Hygiene der Universität Düsseldorf).

Diese Grenze gilt für gesunde Erwachsene. Säuglinge und alte Menschen sind aber bis zu 1OO mal empfindlicher! Wer ständig Autoabgasen ausgesetzt ist, lebt mit erhöhtem Krebsrisiko!

Wenn man diese wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt, wird klar, das alles Erdenkliche getan werden muß, da mit Bonn nicht unter seiner Dunstglocke erstickt. Deshalb muß bei neuen Planungen gesichert sein, dass Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden. Wie stark auch mittlere Bauprojekte unser Kleinklima beeinflussen, zeigt folgendes Beispiel:

Das Melbtal in Poppelsdorf funktionierte früher als Frischluftkanal für Poppelsdorf und die Innenstadt. In den sechziger Jahren wurden dann trotz Warnung von Ärzten und Meterealogen 3 Hochhäuser im Melbtal gebaut. Danach konnte man feststellen, dass die Frischluft von den Hochhäusern aufgehalten wurde, und auf der gut 1 km entfernten Poppelsdorfer Allee ergaben Windmessungen, dass die Windgeschwindigkeit merklich nachgelassen hatte. Die Lüftung für Bonn war kaputt!

Eine weitere Konsequenz aus den Erkenntnissen müßte sein, dass der Bau der Stadtautobahn und der Südtangente verhindert werden. Denn sie würden weitere Tonnen von Abgasen ins Rheintal bringen, die so dringend aus dem Bonner Kessel herausgehalten werden müssen.

Als Gegenmaßnahme müssen genügend Grünanlagen geschaffen werden,
die die Luft wenigstens zum Teil erneuern können. Zu diesen
„Grünen Lungen“ muß auf jeden Fall der Venusberghang gezählt
werden, der nicht bebaut werden darf!

Nach Plänen der Stadt sollen in der Gumme Wohnhäuser gebaut werden. Dadurch würden auch hier weitere Grünflächen verloren gehen. Ob das zur Verbesserung des Klimas in Kessenich beitragen wird?

Bevor also im Bonner Raum neue Bauvorhaben entstehen, muss zunächst
geprüft werden, ob sie unter medizinischen und meteorologischen Gesichtspunkten vertretbar sind. Denn sonst gibt es eines Tages auch in Bann Smogalarm wie in Los Angeles, wo einige hundert Menschen innerhalb weniger Tage am Herzinfarkt starben, weil sie das „Wetter“ nicht verkrafteten.

(Dieser Artikel erscheint exakt in diesem Wortlaut in der „KESS&DOTT“, Stadtteilzeitung für Kessenich und Dottendorf, Ausgabe Nr. 3, März 1975, Herausgeber: SPD Bonn-Süd)